Markus Ott, Vater eines Sohnes mit PCH2 berichtet über die große Reise
Tatsächlich, am 27. August 2024 war es so weit und wir, die PCH-FAMILIE, stachen auf der AIDAnova ab Kiel in See. Eine Woche Kattegat und Skagerrak lag vor uns, und keiner konnte sich vorstellen, wie es werden würde.
Alles muss mit
Eine solche Reise hatten wir mit unseren PCH-Kindern noch nicht gemacht. Viele sind von schwerem medizinischen Gerät abhängig, Pflegekräfte sind im Schichtbetrieb eingeteilt, Medikamente müssen gekühlt, Spezialnahrung muss bereitet werden, Rolli, Therapiestuhl, Sauerstoff – alles muss mit. Für viele Familien war eine Woche im Hospiz bisher meist das höchste der Gefühle.
Vorbereitung ist das A und O
Entsprechend lang dauerte die Vorbereitung: seit 6 Jahren wurden Spendengelder gesammelt, im Orga-Team jede noch so kleine Frage gesammelt und mit dem Special Needs Team der AIDA abgeklärt, ein Ortstermin auf dem Schiff mit dem Kapitän durchgeführt, der sofort Feuer und Flamme für das Projekt war. Super Kooperation mit AIDA!
Und jetzt waren 28 schwerstbehinderte PCH-Kinder, Geschwister, Eltern, Pflegende, Angehörige, Freundinnen und Freunde, Ärztinnen und Ärzte – insgesamt 288 Menschen an Bord.
„Für uns ist das der erste gemeinsame Urlaub seit 20 Jahren.“
(Familie Zürcher)
Los geht die Fahrt
Der erste gemeinsame Urlaub sollte intensiv werden! Los ging es am ersten Seetag mit der Vorstellungsveranstaltung. Viele von uns kannten sich ja nur online oder über das Internetforum. Axel, 1. Vorsitzender des Vereins PCH-Familie e.V., erinnerte welch langen Weg die PCH-Familie gegangen war. Zuerst als Yahoo-Mail-Liste, als es noch nicht einmal eine Diagnose für diese seltene Krankheit gab und alle im Dunkeln tappten. Dann der Aufbau des Forums für die Eltern und jetzt diese greifbare PCH2cure-Community mit Forschenden und Klinikerinnen und Klinikern. Die Stimmung war super, und alle waren gespannt auf die kommenden Tage an Bord.
Wissenschaftliche Erkenntnisse sollen die Lebensqualität der Kinder verbessern
Die Reise schafft gute Voraussetzungen auch für unser wissenschaftliches Rahmenprogramm: 9 Forscherinnen und Forscher sowie Ärztinnen und Ärzte waren mit an Bord. Abwechselnd stellten sie täglich den Stand der Arbeiten zu PCH vor und wir Eltern diskutierten fleißig mit: Was könnte uns helfen, in welche Richtung könnte es gehen? Es gab offene Sprechstunden für die individuellen Themen unserer Kinder – Patienten-getriebene Forschung par excellence.
Viel Zeit für wertvollen Austausch
Tagsüber ging es dann zu den Landgängen nach Oslo, Kopenhagen, Skagen – mal mit der einen Familie, mal in einer größeren Gruppe, mal nur mit dem eigenen Team. Diese Zeit miteinander zu verbringen, macht den Verein greifbar und lässt einen spüren, dass man nicht alleine ist. „Wie geht es euch mit diesem oder jenem?“ „Was habt ihr für Erfahrungen gemacht?“ „Hat euch dieses Medikament geholfen?“ „Hast du das schon mal probiert?“ – Es ist ja nicht so, dass es einfach wäre mit PCH.
Toll war es auch, sich über Hilfsmittel austauschen zu können. Eine Mutter hat doch glatt einen Mitarbeiter von Special Tomato in Aarhus an den Hafenkai organisiert, damit sich – wer wollte – ein Bild von der Sitzschale und dem Kinderwagen machen konnte. Mit fast fremden Menschen vom ersten Moment an Klartext reden und schwere Fragen teilen zu können, das tut gut! Gleiches galt auch für unsere Pflegenden: wann könnten sie sich sonst mit anderen PCHlern besprechen? Unbezahlbar dieser Austausch untereinander! Es gibt ja keine 100 Menschen mit PCH in Deutschland. Sich in persona zu treffen, ist da wirklich aufwändig.
Besondere Momente fernab der Krankheit
Ganz besonders waren die Momente, in denen es mal nicht um die Krankheit ging: Wenn unser Philipp auf der Kabinenveranda einfach seine Nase in den Wind hielt und die Zeit stillstehen ließ, wo doch eigentlich die PCH seinen armen Körper sonst mit steter motorischer Unruhe malträtiert. Wenn er im warmen Bordpool quasi jauchzte vor Freude, weil er merkte, dass alle Spaß haben. Wenn wir Eltern abends an der Bar einfach mal über Fußball diskutierten.
Aufmerksam machen auf die Krankheit PCH
Es ergaben sich auch Gespräche mit anderen Passagieren, die neugierig waren, was wir so für eine Gruppe seien. Wir hoffen, dass das sonst so diffuse Leiden unserer Kinder und der Familien so sichtbar und begreifbar wurde. FOCUS online war ja auch dabei, sie filmten unsere Reise und dokumentierten so viele kleine und große Momente. Mehr dazu findet sich hier.
Am Ende der Reise bleibt vor allem: Freude und Dankbarkeit
Am Samstag darauf landeten wir wieder in Kiel. War es eine tolle Woche? Ohja! Und wie vollgepackt! Ungeheuer intensiv und wertvoll. Und wirklich: jede Spende und sei sie scheinbar noch so klein gewesen, hat sich bezahlt gemacht. 1000 Dank an alle Spender, die diese Reise möglich gemacht haben.Und so war unsere Kreuzfahrt buchstäblich eine Cruise4Life und in jeder Hinsicht ein Leuchtturmprojekt. Mut machend für uns Familien, zusammenführend für unseren Verein, erhellend für die Forscher und hoffentlich inspirierend nach außen, für alle, die auch von einer seltenen Krankheit mit Schwerstbehinderung betroffen sind. „Do what you can´t!“ – und plötzlich geht´s.