Familienporträt Kleinkinder

Familienporträt Kleinkinder

Man verändert sich zum Besseren mit einem PCH2 Kind

Lisa, die Mutter des kleinen Max, erzählt von ihrem Weg zur Diagnose, von ihren anfänglichen Schwierigkeiten, Max gut zu ernähren. Sie nimmt uns mit durch einen typischen Tag in ihrer Familie und lässt uns an schönen Familienmomenten teilnehmen. In der Überzeugung, dass sie als Familie auch für zukünftige Herausforderungen Lösungen und Wege finden werden, möchten die Eltern ihren Max und die Zeit, die sie mit ihm haben, voll auskosten.

Liebe Lisa, wer gehört alles zu eurer Familie?

Wir, das sind Papa Jan (33 Jahre), Mama Lisa (33 Jahre) und Max (fast 2 Jahre). Und natürlich Elsa, der kleine Familienhund. Wir sind ganz frisch verlobt und leben seit Ende 2023 mit Max in Detmold, Deutschland.

Wie begann euer PCH2 Weg?

Direkt nach der Geburt fiel uns und der Hebamme auf, wie wenig Max trinkt und dass er nicht gut zunimmt. Nachdem auch ein Besuch bei einer Osteopathin nicht helfen konnte, wurden wir zu einem Spezialisten für Manualtherapie und Neurorehabilitation in Bochum geschickt. Dieser deutete zum ersten Mal an, dass irgendwas nicht stimmt. Das war 10 Tage nach der Geburt. Im weiteren Verlauf war auch er derjenige, der zum MRT anstieß.

Wie und wann bekamt ihr die Diagnose PCH2?

Die Hypoplasie (Anm. der Redaktion: Hypoplasie des Kleinhirns, d.h. das Kleinhirn ist zu klein) war auf dem MRT deutlich zu sehen. Nach dem MRT folgte der Schritt zu den frühen Hilfen vom Jugendamt. PCH2 wurde aber erst 10 Monate später, im April 2023, durch die Humangenetik Osnabrück diagnostiziert.  Bis dahin war der Weg jedoch steinig.

Was war am schwersten für euch in der ersten Zeit mit Max?

Die Entscheidungen für eine Nasensonde oder Magensonde, die Entscheidung, ob wir ins Krankenhaus müssen aufgrund des vielen Erbrechens oder ob es noch geht. All diese wichtigen Entscheidungen ohne Diagnose – nur aus dem Bauch heraus – zu treffen, war sehr hart.

Auch die vielen Momente, in denen wir nicht wussten, wie wir Max helfen können, wenn er Schmerzen oder Luft im Bauch hatte.

Aber am schwersten war sicher das lange Füttern: oft über Stunden hinweg eine Flasche zu geben oder Brei zu füttern, so sensibel es nur geht, das Essen in das Kind zu bekommen, bis es dann doch wieder erbrochen wird. Die vielen Stunden und die ganze Mühe für nichts und wieder nichts, da sich auf der Waage oft lange nichts getan hat, das war sehr frustrierend und hat an den Kräften und Nerven gezerrt.

Wer oder was hat euch in dieser ersten schweren Zeit besonders geholfen?

Wir waren sehr unsicher, was wir tun sollen und eine Mitarbeiterin der frühen Hilfen hat uns toll an die Hand genommen.

Sie war es auch, die die Nasensonde anregte, als Max auch nach 5 Monaten noch erhebliche Gewichtsprobleme hatte. Auch heute besucht sie uns noch gelegentlich und wir sind immer noch sehr dankbar, dass wir mit ihr in dem unwissenden ersten Jahr jemanden an unserer Seite hatten, den wir täglich anrufen konnten und der immer einen Rat für uns hatte.

Viele Freunde, Bekannte und auch Familie wussten oft nicht weiter bzw. kannten sich mit der Problematik nicht aus. Im eigenen Netzwerk wird man gut aufgefangen. Bei schwierigen Fragen oder Entscheidungen hilft es jedoch eine Person zu haben, die das alles schon einmal erlebt hat.

Welche Symptome hat Max? Haben sich diese im Laufe der Zeit verändert?

Max kann nicht gezielt greifen und “rudert” deswegen ziellos mit den Armen umher. Seine Arme und Beine waren stark von seiner Spastik betroffen, jedoch wurden die Arme mit der Zeit weicher. In einem Bein ist die Spastik jedoch weiterhin so stark, dass der Hüftkopf aus der Pfanne zu rutschen droht.

Max kann seinen Kopf immer besser kontrollieren und halten, sodass er gerne aufrecht gehalten wird. Eigenständig sitzen kann er jedoch nicht. In Bauchlage kann er seinen Kopf von rechts nach links drehen, jedoch nicht länger oben halten.

Max kann Kontraste gut erkennen, vor allem wenn sie nah sind und mit Licht noch unterstützt werden. So kann er diesen auch teilweise folgen.

Max kann nicht gut schlucken – egal ob Nahrung oder Milch. Er wird daher ausschließlich mit einer Magensonde (PEG) ernährt. Er schluckt oft Luft, diese quält ihn dann im Bauch sehr. Er kann nur sehr selten flach liegen. Seine Verdauung ist nicht sehr regelmäßig, aber diese Beschwerden schwanken immer.Seine innere Unruhe lässt ihn manchmal nur schwer schlafen. Das ist vor allem tagsüber auffällig. Abends kommt er mit einer Routine ganz gut in den Schlaf.

Welche Symptome empfindet ihr als am belastendsten für euch und für Max?

Die Schluckstörungen stören ihn sehr, sodass er bei zu viel Speichel und Sekret zu einer Aspiration (Anm. d. Redakt.: Einatmen von Nahrung) neigt und vor allem beim Zahnen dann viel husten muss. Darunter leidet er.

Auch die Luft im Bauch ist für ihn nur schwer eigenständig loszuwerden. Oft hilft es, wenn er über seine PEG (Ernährungssonde durch einen künstlichen Magenzugang) entlüftet wird.

Die Lagerung ist nicht immer einfach. Viele Lagerungshilfen sind eher zum Liegen gedacht, aber Max tut es gut, aufrecht zu sein. Wenn er jedoch zu müde für den Therapiestuhl ist, liegt er oft halb sitzend bei uns oder dem Pflegedienst im Arm. Das ist zwar sehr schön, aber auch sehr aufwändig und er ist damit noch abhängiger von einer ständigen Pflege.

Was hilft euch, euren Familienalltag zu meistern?

Am meisten hilft es uns, dass wir uns die Aufgaben teilen. Wir wechseln uns dabei ab, morgens und abends die Medikamente zu geben, die Pumpe fertig zu machen und die Flaschen zu wechseln.

Und natürlich hilft uns der Pflegedienst sehr. Nur durch die Pflegestunden ist es uns möglich, dass wir beide arbeiten gehen können und wieder nach und nach ein Alltag eingekehrt ist.

Auch der Austausch mit anderen betroffenen Familien und allgemein dem PCH Forum hilft uns sehr, problematische Situationen zu meistern.

Freunde und Familie helfen uns, wieder kleine Auszeiten zu genießen und bieten sich an, auf Max aufzupassen.

Auf welche Hilfsmittel würdet ihr nicht mehr verzichten wollen?

Auf den Therapiestuhl und das Pflegebett würden wir definitiv nicht verzichten wollen. Über eine befreundete Familie eines anderen PCH2 Kindes haben wir einen Gravity Chair übernommen, den wir auch sehr viel nutzen. Ansonsten sind wir noch nicht so sehr ausgestattet.

Was sind die größten (Alltags-)Herausforderungen für euch?

Einkaufen im Supermarkt alleine mit Max ist eine riesige Herausforderung. Andere setzen ihr Kind in den Wagen, wir können das nicht.

Außerdem ist es herausfordernd, die ganzen Therapietermine zu koordinieren, sodass es mit den Arbeitszeiten passt, aber auch mit der Freizeit und Max nicht überfordert wird. Auch die Kommunikation mit Ärzten, Kranken- und Pflegekasse ist teils sehr anstrengend.

Könnt ihr uns mit durch einen „normalen Tag“ in eurer Familie nehmen?

Um ca. 6:30 Uhr wird Max langsam unruhig und wach. Dann steht einer von uns mit ihm auf und wickelt ihn. In der Küche bekommt er dann sein Omeprazol über die PEG-Sonde und die Pumpe für die PEG wird für den Tag vorbereitet. Max wird für den Tag fertig gemacht und die Pumpe angeschlossen. Dann wird Max in den Gravity Chair oder die Babywippe gesetzt und vor seine Decke mit Kontrastbildern zum Babyfernsehen geparkt, sodass auch wir uns für den Tag fertig machen können.

Um 7:30 Uhr kommt der Pflegedienst, nach kurzer Besprechung gehen Jan und ich dann arbeiten. Ich bin dann meist mittags wieder da und setze mich zum Pflegedienst, frage wie der Vormittag so war.

Um 14:30 Uhr geht der Pflegedienst. Max und ich haben dann Termine (Physiotherapie, Logopädie, Spielgruppe) oder ich gehe mit Max im Kinderwagen spazieren. Wichtig ist, dass Max einmal am Tag schläft, das geht super gut im Kinderwagen. Meistens hat es aber schon mit dem Pflegedienst geklappt.

Gegen 18:00 Uhr sind wir spätestens wieder zu Hause. Dann wird noch ein bisschen gespielt, Musik gehört oder gekuschelt.

Um ca. 19:00 Uhr beginnt unsere Abendroutine (Umziehen, Zähne putzen, nochmal Omeprazol). Dann wird die letzte Flasche an die PEG angeschlossen, noch gelesen oder ein Schlummertonie angemacht und dann gehts ins Bett. Max schläft gerne auf der Seite, braucht jedoch oft Körperkontakt. Wir bleiben dann so lange bei ihm bis er tief schläft.

Er schläft dann in der Regel bis circa Mitternacht durch, wenn er dann wach wird, holen wir ihn in unser Bett, weil er dann oft besser schläft.

Freitags haben wir beide frei und genießen den Tag mit Max ohne Pflegedienst. Auch an diesem Tag hat Max Programm, es wird aber eher ruhig angegangen.

Welches waren bisher eure schönsten Familienmomente?

Wir waren im ersten Sommer mit Max für ca. 4 Wochen im Camper als Familie unterwegs und haben Max viele schöne Ecken von Europa gezeigt. Er hat auf dieser Reise unglaublich gut geschlafen und die Zeit sehr genossen. Vor allem in Frankreich an der Atlantikküste haben wir schöne Momente im Camper und am Strand erlebt.

Auch im Sommer 2022 waren wir in den Bergen wandern und Max hat es geliebt, während des Aufstieges in der Trage zu schlafen. Generell ist er ein kleiner Weltenbummler und liebt es sich auf den Weg in neue Länder zu begeben.

Im November 2023 waren wir das erste Mal im Hospiz hier in Bielefeld Bethel. Als wir davon erholt und ausgeschlafen wieder nach Hause kamen, haben sich Max und Elsa strahlend und freudig begrüßt und auf der Decke geschmust. Das hat in besonderer Weise gezeigt, wie eng die beiden verbunden sind, ohne einen großen sichtbaren Austausch.

Was hat sich im Laufe der Zeit verändert und wie geht es euch heute als Familie?

Wir als Familie werden ruhiger, gehen gelassener mit stressigen Momenten um und haben gelernt, dass es alles gut wird.

Die Essenssituation und damit auch die Gewichtsprobleme sind quasi verschwunden durch die PEG und das obwohl wir lange mit uns gehadert haben, diesen Eingriff machen zu lassen. Aber rückblickend können wir auf unser Bauchgefühl vertrauen und wissen, dass wir eine Lösung finden werden. Irgendwie sind wir durch die Diagnose und die dazugehörigen Infos sicherer geworden und haben in vielen Punkten „AHA- Erlebnisse“ gehabt.

Wir leben unser Leben nach dem Motto “Qualität vor Quantität” und leben sehr im Moment und genießen diesen. Die Zeit, die wir mit Max haben, wollen wir voll auskosten.

Was wünscht ihr euch für Max?

Wir wünschen Max, dass er schmerzfrei und ohne Leid durchs Leben kommt. Er soll weiterhin so fröhlich und unbeschwert bleiben, wie er es teilweise sein kann. Wir würden uns außerdem wünschen, dass er in Bezug auf Hilfsmittel keine Steine in den Weg gelegt bekommt und alles so hergerichtet wird, dass es ihn erleichtert. Wir wünschen uns, dass er lange so bei Bewusstsein bleibt und alles um sich herum weiterhin so stark wahrnimmt.

Warum ist euer Max etwas ganz Besonderes?

Max ist oft fröhlich und lacht beherzt. Er ist ein kleiner Strahlemann und zeigt anderen, aber auch uns täglich, dass es nicht darauf ankommt, wie schnell jemand laufen kann, wie gut jemand sprechen kann oder wie gut jemand sehen kann. Er ist glücklich mit dem, was ihm mitgegeben wurde und im Rahmen seiner Möglichkeiten zufrieden. Das müssen viele andere noch lernen.

Was würdet ihr Eltern, die gerade erst die Diagnose PCH2 erhalten haben, gerne mit auf den Weg geben?

Wir würden ihnen gerne mit auf den Weg geben, dass es leichter wird. Die vielen Fragezeichen lösen sich nach und nach auf und für vieles gibt es Lösungen; Medikamente, Hilfsmittel oder die Zeit lösen es. Natürlich haben PCH2 Kinder immer einen besonderen Anspruch auf Hilfe und Pflege, aber es ist wichtig den Blick für das Kind außerhalb der Krankheit nicht zu verlieren und immer positiv zu bleiben. Diese Kinder können uns ganz viel beibringen und man wird sich in der Regel immer zum Besseren verändern mit einem PCH2 Kind.

Man verändert sich zum Besseren mit einem PCH2 Kind

(Lisa)

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